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01.07.2021

Der Schluckvorgang

Wie läuft ein normaler Schluckakt ab?

Autor: Astrid Wessels (Logopädin und Fachtherapeutin für Kau- und Schluckbeschwerden)

Wir schlucken häufig ganz unterbewusst und ohne uns viele Gedanken darüber zu machen. Deshalb ist es umso interessanter, wie komplex dieser Vorgang eigentlich ist und was dabei alles in unserem Körper geschieht. Lesen Sie im Folgenden, in welche Phasen der Schluckakt unterteilt werden kann und welche aufeinander abgestimmten Mechanismen dabei zusammenspielen.

Grundlagen

Im Wesentlichen sind zwei Bereiche am Schlucken beteiligt: Die Großhirnrinde und der Hirnstamm. Zentren im Großhirn steuern dabei die bewussten, willkürlich auslösbaren Vorgänge (z.B. ausgiebiges Kauen, Einleitung des Schluckens, etc.). Die sich anschließenden reflektorischen (=willentlich nicht beeinflussbaren) Bewegungen werden von den sogenannten Schluckzentren im Hirnstamm koordiniert.

Im Bereich des Hirnstammes liegen die Kerne der fünf Hirnnerven (N. trigeminus, N. fazialis, N. hypoglossus, N. vagus, N. glossopharyngeus), die die 100 Muskeln der einzelnen am Schlucken beteiligten Organe ( Wangen, Lippen, Kiefer, Zunge, Gaumensegel, Rachen, Kehlkopf, Zungenbein, Speiseröhre ) versorgen.

Normalerweise schlucken wir zwischen 600 – 2000 Mal täglich. Außerhalb der Mahlzeiten schluckt man im Wachzustand etwa einmal in der Minute ca. 0,5 – 1,5 ml Speichel pro Schluck. Für eine kleine Mahlzeit von 6 Minuten benötigen wir ca. 32 Schlucke. Im Tiefschlaf wird kaum Speichel produziert und geschluckt.


Der Schluckakt wird in 4 Phasen unterteilt:                                                                 

A.) Die orale Vorbereitungsphase

B.) Die orale Phase

C.) Die pharyngeale Phase

D.) Die ösophageale Phase

 

 
schlucktest

Normaler Schluckakt


A.) Kauen und Vermischen der Speise mit Speichel. Das Zusammenziehen der Speisen zu einem Bolus.

Wir nehmen einen Schluck bzw. führen die Nahrung zum Mund. Kiefer und Lippen sind verschlossen, damit nichts aus dem Mund fällt. Feste Nahrung wird durch kreisende und sich öffnende und schließende Kieferbewegungen zerkaut. Die Wangenmuskeln sind angespannt. Es wird so lange gekaut, bis die Nahrung eine geeignete Beschaffenheit hat. Wie lange das dauert ist individuell. 

Beim Kauen bewegt die Zunge die Nahrung auf die Beißflächen der Zähne. Die Sensibilität verhindert, dass man sich auf die Wangen, die Zunge oder die Lippen beißt. Die Nahrung wird jedoch nicht nur zerkleinert, sondern auch mit Speichel vermengt. Dadurch entsteht eine rutschfähige Masse, die leichter transportiert werden kann. Die Magensaftproduktion wird zwischenzeitlich angeregt. Die zerkaute Nahrung wird von der Zunge eingesammelt und in eine schluckfertige Portion (=Bolus) geformt. 


B.) Bolusbeförderung über die Hinterzunge in den Rachen bis zur Auslösung des Schluckreflexes

Um den Bolus in den Rachen zu transportieren, legt sich zunächst die Zungenspitze an den Gaumen kurz hinter die oberen Schneidezähne und die Zungenränder heben sich etwas. Der Bolus befindet sich in der Zungenmitte in einer Art Schüssel. Durch wellenförmige Bewegungen der Zungenmitte und durch Hebung und Rückwärtsbewegungen des Zungenhinterteils wird der Bolus in Richtung Gaumenbögen transportiert. Die Schüssel bleibt die ganze Zeit über bestehen. In Höhe der Gaumenbögen kommt es zur Auslösung des Schluckreflexes


C.) Bolusbeförderung durch den Rachen in die Speiseröhre mittels: Zungenrückwärtsbewegung, Sog durch Kehlkopf- und Zungenbeinhebung, Peristaltik der Rachenmuskulatur

Ab hier können wir die Bewegungen nicht mehr willentlich beeinflussen. Innerhalb von Sekunden wird der Bolus in den Magen befördert. Das Gaumensegel bewegt sich rachenaufwärts, verschließt die Rachenhinter-wand und somit den Durchgang vom Rachen zur Nase. Dadurch wird verhindert, dass Speichel, Nahrung, Flüssigkeit, etc. beim Schlucken in die Nase gelangt.

Die Rachenmuskeln sind fächerförmig den Rachen entlang abwärts verteilt und ziehen sich nacheinander zusammen. Dadurch wird der Bolus in einer Art Schnürwelle in Richtung Speiseröhreneingang transportiert. Gleichzeitig kommt es zum automatischen Anhalten des Atems und zum Verschluss des Kehlkopfes (=Stimmlippen, Taschenfalten, Kehldeckel).
Die Anhebung des Zungenrückens (=hinterer Abschnitt der Zunge) beim Schlucken bewirkt durch die Muskelverbindungen eine Anhebung des Zungenbein-Kehlkopf-Komplexes um ca. 6 mm nach vorne oben. Dadurch kommt es zu einer passiven Aufdehnung des M. cricopharyngeus und somit eine Öffnung des Speiseröhreneinganges. So kann der Bolus in die Speiseröhre gelangen.


D.) Bolustransport durch Speiseröhre in den Magen mittels Wellen. Dabei Öffnung und Schluss des unteren Speiseröhrenschließmuskels

Ist der Bolus komplett in der Speiseröhre, senkt sich der Kehlkopf wieder und es stellt sich beim Speiseröhreneingang wieder eine erhöhte Muskelspannung ein, so dass der obere Speiseröhreneingang verschlossen ist. Das Schließen des oberen Speiseröhreneingangsmuskels und des unteren Speiseröhrenmuskels am Mageneingang verhindert, dass Speise aus dem Magen zurückfließen und in die Atemwege gelangen kann. Der Verschluss des Kehlkopfes ist aufgehoben. Es kann wieder geatmet u/o gesprochen werden. Das Gaumensegel ist wieder gesenkt und die Atemluft kann die Nase passieren. Die Atmung über Mund und Nase ist wieder möglich.


Leidet man an einer Schluckstörung (Dysphagie), kann dieser Schluckvorgang Probleme bereiten. Die Gefahr sich zu verschlucken besteht in allen Phasen. Bei gestörtem Schluckreflex und fehlendem Hustenreflex können Essen und Trinken lebensgefährlich werden. Die richtige Konsistenz von Speisen bei einer Schluckstörung ist in diesem Fall von hoher Bedeutung. Tipps zur Ernährung bei einer Dysphagie erhalten Sie hier.

 

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